Ich denke darüber nach, wie das Grätzl mehr Grätzl werden kann.

Guido Schwarz ist grüner Bezirksrat, Nahversorgungsbeauftragter für Währing und in der Grünen Wirtschaft aktiv. Im Interview erzählt er, was er in diesen Funktionen alles macht.

Währinger Blattl: Du bist vor fast 10 Jahren von unserer Bezirksvorsteherin zum Nahversorgungsbeauftragter für Währing ernannt worden. Was heißt Nahversorgung denn für dich?

Guido Schwarz: Nahversorgung bedeutet, dass Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder ein paar Stationen mit der Straßenbahn Geschäfte erreichen, in denen sie alles bekommen, was sie für ihr Leben brauchen. Es geht um’s Grätzl, die vertraute Wohnumgebung, wo man seine Geschäfte kennt und oft langjährige Kauf-Beziehungen entwickelt hat.

WB: Was machst du denn alles als Nahversorgungsbeauftragter?

GS: Ich denke darüber nach, wie das Grätzl mehr Grätzl werden kann. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach Menschen im Grätzl möglichst gut miteinander zu vernetzen. Die zentrale Aufgabe des Nahversorgungsbeauftragten ist, dafür zu sorgen, dass die Geschäftsleute mit Menschen in Kontakt kommen, die für sie wichtig sind. Da habe ich im Laufe der Jahre als Bezirksrat, als Unternehmer und als in der Wirtschaftskammer Tätiger viele Erfahrungen gesammelt, wie das am besten zu bewerkstelligen ist.
Wenn ein neues Geschäft in Währing öffnet, dann gehe ich hin. Bei der Eröffnungsfeier lerne ich die neuen Geschäftsinhaber*innen kennen und kann oft auch helfen, die ersten Netzwerkkontakte zu knüpfen. Als Nahversorgungsbeauftragter ist es meine Aufgabe, Geschäftsleute zu unterstützen. Sie zu informieren, wo sie, wenn nötig eine Förderung erhalten, wer in der Bezirksvorstehung bei welchem Anliegen hilfreich sein kann. Ich stelle mich als Ansprechpartner zur Verfügung, hinterlasse viele Visitkarten mit der Information, sich zu melden, wenn Hilfe nötig ist. Immer wieder einmal kommt eine E-Mail, ein Anruf: Wir haben damals geredet und ich brauche etwas. Und dann gehe ich hin und schaue, ob ich helfen kann.
Über ein Grätzl nachzudenken heißt auch, Ideen zu haben, wie Entwicklungen verhindert oder unterstützt werden können. Zum Beispiel haben wir als Grüne in Währing vor ein paar Jahren festgestellt, dass es in der Gentzgasse und in der Kreuzgasse sehr viele leerstehende Geschäfte gibt, mit immer unansehnlicher werdenden Auslagen. Wir haben ein Konzept entwickelt, wie diese Auslagen genutzt und attraktiv gestaltet werden können. Da sind wir leider dann daran gescheitert, dass die Hauseigentümer*innen und Hausverwaltungen einfach kein Interesse daran hatten, für das Grätzl etwas zu tun.

WB: Gibt es Nahversorgungsbeauftragte eigentlich in jedem Bezirk?

GS: Nein, leider nicht. Das ist eine Besonderheit von Währing. So lange es vor ein paar Jahren im 2. Bezirk eine grüne Bezirksvorsteherin gab, war dort auch ein Nahversorgungsbeauftragter unterwegs. Sonst gibt es das in keinem Bezirk in Wien.

WB: Wie würdest du denn die Situation der Wirtschaftstreibenden in Währing derzeit einschätzen Die Währinger Straße ist ja sehr belebt, es gibt wenig Leerstand, aber rundherum ist es dann schon ein bisschen schwieriger.

GS: Währing ist aus mehreren ehemaligen Dörfern entstanden und hat mehrere Grätzl und Grätzlzentren. Die Währinger Straße mit dem Kutschkermarkt ist sicher das pulsierendste Grätzlzentrum von Währing, nicht nur wegen des hoch frequentierten und florierenden Markts, sondern auch weil die Währinger Straße vom Gürtel bis zum Aumannplatz sehr belebt ist und als Einkaufsstraße gut funktioniert.
Das liegt an der großen Vielfalt der Branchen und daran, dass sehr viele Geschäfte von Eigentümer*innen geführt werden, die zumeist selbst im Geschäft stehen. Besonders wichtig für den Erhalt dieser vielfältigen Angebote sind die vielen treuen Stammkund*innen. Das hat etlichen Gewerbetreibenden geholfen, über schwierige Zeiten wie zuerst Corona und dann die Energiekrise zu kommen, und ist weiterhin ein wichtiger Faktor für den Erhalt der Betriebe. Straßen mit einer ähnlichen Struktur findet man in Wien nur mehr selten.
In Gersthof ist die Struktur der Geschäfte im Vergleich mit den Unternehmen in der Währinger Straße sehr verschieden. Das Gebiet um das Gersthofer Platzl gehört eigentlich entwickelt, aber wie entwickelt man ein Grätzl? Eine Einkaufsstraße, ein Grätzl-Zentrum haben ja kein zentrales Management wie ein Einkaufszentrum, das bestimmt, wie der Branchenmix sein soll. Das kann eine Einkaufsstraße nicht, da entscheiden die Eigentümer*innen der einzelnen Häuser, an wen sie ein Geschäftslokal vergeben. Ob das jetzt Banken oder Immobilienfirmen sind, spielt da eigentlich keine Rolle. Deren Entscheidungen begrenzen massiv, wie sich eine Einkaufsstraße oder ein Grätzlzentrum entwickeln kann, und das sieht man in Gersthof.
Das Kreuzgasse-Viertel ist ein Entwicklungsgebiet. In den nächsten Jahren entsteht die U-Bahn und auf dem Gebiet des ehemaligen Hauses der Barmherzigkeit wird neu gebaut; damit kommt hoffentlich Leben in die Kreuzgasse. Die Umgestaltung des Johann-Nepomuk-Vogl-Platzes ist gut gelungen, der Platz belebt und für viele Anrainer*innen zum zweiten Wohnzimmer und Grätzlzentrum geworden.

WB: Du bist auch in der Grünen Wirtschaft aktiv und Funktionär in der Wirtschaftskammer. Und mitten im Wahlkampf. Was heißt das für dich?

GS: Ich habe 2009 bei der Grünen Wirtschaft angedockt und bin gleich in den laufenden Wirtschaftskammer–Wahlkampf eingestiegen. Das heißt, ich bin am letzten Tag der Abgabe für Unterstützungserklärungen mit dem Fahrrad bei Schneetreiben quer durch Wien gefahren und habe die letzten drei Formulare eingesammelt, die wir noch gebraucht haben, um den grünen Wahlvorschlag einreichen zu können.
Die Kammerwahl besteht in Österreich aus über 1200 Einzelwahlen. Um dort mitmischen zu können, brauchen wir Menschen, die für die Grüne Wirtschaft kandidieren, und viele Unterstützungserklärungen, die den Grünen Wahlvorschlag in der jeweiligen Fachorganisation unterstützen.
Im letzten Jahr zwischen April und Dezember 2024 haben ich und viele andere Menschen ermuntert zu kandidieren und unzählige Unterstützungserklärungen eingesammelt. Jetzt im Jänner und Februar ist der eigentliche Wahlkampf, wo es vor allem darum geht, Menschen zu überzeugen, zwischen 10. und 13.März 2025 ihre Stimme abzugeben. Wir wissen, dass wir bei der Wahl hervorragend abschneiden können, wenn Unternehmer*innen, die ohnehin grün sind, denen Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit wichtig ist, wählen gehen. Denn die Wahlbeteiligung ist bei der Wirtschaftskammerwahl traditionell sehr niedrig. Jede Stimme, die per Wahlkarte oder in einem der Wahllokale abgegeben, zählt.

WB: In Österreich ist der Einfluss der Wirtschaftskammer sehr hoch, Was bedeutet das?

GS: Gesetzesvorlagen werden zu großen Teilen in der Wirtschaftskammer vorbereitet und entworfen, manchmal noch in sozialpartnerschaftlicher Abstimmung. Aber dieses Vorgehen hat seit der ersten ÖVPFPÖ Regierung sukzessive abgenommen, und wer weiß, was jetzt noch kommen wird.
Die Grüne Wirtschaft ist da der kleine grüne Stachel im großen schwarzen Fleisch der Kammer. So kann man unsere Arbeit am besten darstellen. Wir kontrollieren, wir schauen drauf, dass sie nicht übermütig werden. Und natürlich, dass sie nicht Gesetze puschen, die massiv der Umwelt schaden. Das kommt nämlich immer noch vor und ist immer noch auf der Agenda der Wirtschaftskammer.

WB: Was sind die Kernpunkte, die die Grüne Wirtschaft in den
nächsten Jahren weiterbringen und vertreten will?

GS: Das Thema umweltgerechtes und nachhaltiges Wirtschaften wird selbstverständlich immer das Kernthema bleiben. Es wird sogar noch wichtiger werden, gerade weil wir jetzt einen Trend gegen Umweltpolitik sehen. Das motiviert uns nur noch mehr, dranzubleiben.
Es kommen andere Themen dazu, die gerade in der Kammer besonders wichtig sind: Wir wollen Frauen stärken und haben seit einiger Zeit mehrere Initiativen laufen. Zum Beispiel die „Einfach Nein“-Kampagne, die sehr gut aufgenommen wird, mit der Frauen dazu ermuntert werden, „Nein“ zu sagen, wenn sie benachteiligt werden. Auf unserer Agenda steht weiter das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem für Frauen, aber auch für Männer. Und dann gibt es den Dauerbrenner, dass wir versuchen, die verkrusteten Strukturen in der Kammer aufzubrechen, denn wir sind überzeugt, dass eine gute Vertretung der Wirtschaft in der Politik notwendig ist.

WB: Dann sagen wir vielen Dank für dein Engagement in Währing und viel Erfolg für die Wahl!

Das ganze Interview können Sie in unserem „Währing-Story-Podcast“ hören: https://bit.ly/guidoschwarz
Guido Schwarz ist unter der E-Mail-Adresse guido.schwarz@gruene.at erreichbar.