Für eine lebenswerte Zukunft müssenwir gemeinsam und entschlossen handeln

Halbzeit-Interview mit unserer grünen Bezirksvorsteherin Silvia Nossek. Über die Herausforderungen
der Klimakrise, Lebensqualität im öffentlichen Raum und das richtige Veränderungstempo.
Währinger Blattl (WB): Deine zweite Periode als Bezirksvorsteherin ist bereits in der zweiten Halbzeit. Was ist seit der Wahl 2020 alles passiert, was hat sich in den letzten 3 Jahren für die Menschen in Währing
verbessert?
Silvia Nossek (SN): Wir arbeiten weiter daran, den Baumbestand in unserem Bezirk zu sichern und auszubauen. Ich bin sehr froh, dass wir mit der Sanierung der Pötzleinsdorfer Allee das Überleben der 107 Linden gesichert haben. Und ich freue mich über die vielen neuen Bäume wie in der Jörgerstraße oder in der Kutschkergasse und Schulgasse.
Wir haben das Gersthofer Platzl neu gestaltet, wir haben den Kutschkermarkt erweitert und den Bereich Gersthofer Straße – Salierigasse nutzbar gemacht. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Jeder neue Freiraum mit Grün, Sitzmöglichkeiten und vielleicht auch och einem Trinkbrunnen oder einem Bücherschrank wird angenommen. Menschen ruhen sich aus, Jung und Alt nutzen die Möglichkeit, sich gleich ums Eck zu treffen und zusammenzusitzen.
WB: Immer präsent sind Verkehrsthemen – was hat sich da getan?
SN: Eine lebenswerte Stadt muss Zu-Fuß-Gehen und Radfahren attraktiv und sicher machen. Damit Eltern ihren Kindern den selbständigen Schulweg zutrauen. Damit ältere Menschen gut und sicher ihre Wege zum Einkauf oder zur Ärztin zu Fuß zurücklegen. Da geht’s um bessere Sichtbeziehungen, um Tempobremsen und um Zebrastreifen – wie beispielsweise an der Kreuzung Weimarer Straße – Gentzgasse. Fürs Radfahren sind wir einer durchgängigen Verbindung quer durch Währing um einiges näher gekommen: Mit dem neuen Radweg in der Pötzleinsdorfer und Gersthofer Straße, der radfreundlichen Hockegasse und der fahrradfreundlichen Gestaltung auch der unteren Schulgasse. Und den noch fehlenden Lückenschluss zwischen Gersthofer Straße und Aumannplatz werden wir auch noch schaffen.
Bei allen Baumaßnahmen dürfen wir allerdings nicht vergessen: Die wichtigsten Verbündeten für sicheres Zu-Fuß-Gehen und Radfahren sind wir alle, in dem Moment, in dem wir hinter dem Lenkrad sitzen. Wir müssen den Autoverkehr in der Stadt gemeinsam menschenfreundlich machen: Runter vom Gas und Vorrang für alle, die ohne Knautschzone unterwegs sind.
WB: Viele Menschen in Währing sind mit den Öffis unterwegs – und ärgern sich regelmäßig über die Blockaden durch falsch abgestellte Autos und seit letzten Herbst auch noch über schlechtere Intervalle. Was macht ihr da?
SN: Die Intervallverschlechterungen sind klimapolitisch ein Schuss ins Knie. Das habe ich den Wiener Linien schon gesagt und werde nicht lockerlassen, bis wir wieder brauchbare Intervalle haben.
Eine gute Zusammenarbeit mit den Wiener Linien haben wir bezüglich der Straßenbahnblockaden: Wir analysieren gemeinsam die Problemstellen und setzen dann Maßnahmen wie zuletzt in der Kreuzgasse im Abschnitt Martinstraße bis Eduardgasse: Dort gab es im Schnitt 63 Blockaden jährlich – eine Zumutung für alle, die mit der Bim unterwegs sind. Wir haben die Gehsteige verbreitert und begrünt, und die Straßenbahn kann jetzt ungehindert fahren.
WB: Welche Themen waren abseits von öffentlichem Raum und Mobilität wichtig?
SN: Ich freu mich sehr, dass mit 2023 das durch die Pandemie so beeinträchtigte Kulturleben im Bezirk zurück ist und auch das kunst.fest.währing wieder stattfinden konnte.
Wichtig ist immer der Kontakt mit den Geschäftsleuten und den drei Währinger Märkten, ist doch die gute Nahversorgung essentiell für die Lebensqualität im Bezirk. Und Aufmerksamkeit für die Beteiligungsmöglichkeiten im Bezirk: die Gruppen der Agenda Währing bei ihrem Engagement zu unterstützen, und Kinder- und Jugendparlament als wichtige Möglichkeit, die Sicht der Kinder und Jugendlichen und ihre Wünsche für Währing kennen zu lernen.
WB: Im vergangenen Jahr war Währing „Klimateam-Bezirk“. Ideen wurden eingebracht, Projektentwürfe entwickelt, viele Währingerinnen und Währinger haben sich beteiligt. Eine Bürger*innen-Jury hat letztlich sechs Projekte ausgewählt, die mit dem von der Stadt zur Verfügung gestellte Budget umgesetzt werden sollen. Wie geht’s nun weiter?
SN: Für die Projekte beim Gymnasium Schopenhauerstraße bzw. für die Antonigasse bei der Hildebrandgasse werden als nächstes Detailplanungen erarbeitet, unter Einbeziehung der Schule bzw. Anrainer*innen; 2025 können wir die Projekte dann hoffentlich umsetzen.
Rascher geht das vermutlich mit den beiden Initiativen für klimafreundliche Mobilität: Sowohl der Pedibus als auch die Initiative für Mobilität ohne eigenes Auto sollten 2024 starten können.
Gespannt bin ich auf das sogenannte Wiener Wäldchen, eine aus Japan kommende Methode, auf kleinem Raum große Ökosystem-Leistung zu ermöglichen. Und last but not least freue ich mich über das Projekt eines Cooling Centers – werden doch solche Einrichtungen zunehmend wichtige Infrastruktur, um in Hitzephasen gesundheitlichen Schäden vorzubeugen.
WB: Was passiert mit den ganz vielen Ideen, die jetzt nicht zum Zug gekommen sind?
SN: Ganz viele Ideen sind ausgeschieden, weil große Projekte, vor allem der Bau der U5, abgewartet werden müssen. Oder weil sie im vorgegebenen Projektzeitraum von zwei Jahren nicht umsetzbar sind. Oder schlicht, weil das Klimateambudget beschränkt ist. Wichtig ist: All diese Ideen sind nicht verloren. Sie werden nicht entsorgt, sie bleiben da, und wann immer wir an dem entsprechenden Ort oder zu dem jeweiligen Thema etwas in Angriff nehmen, werden wir sie mit einbeziehen.
WB: Viele Menschen wünschen sich noch mehr und schnellere Veränderung, anderen geht die Veränderung zu schnell. Wie gehst du damit um?
SN: Angesichts der Dynamik der Klimakrise verstehe ich, dass es manchen zu langsam geht. Und gleichzeitig tun wir in Währing, was möglich ist. Es gibt, glaub ich, wenig Bezirke, die die Förderungen von Stadt und Bund so nutzen wie wir. Wir schaffen unglaublich viel – und trotzdem gibt es Grenzen, vor allem die umsetzenden Dienststellen sind personell am Limit.
Ich verstehe umgekehrt auch, dass sich andere weniger Tempo wünschen. Aber ich will nicht drumherum reden: Wenn wir unseren Kindern und Enkelkindern eine lebenswerte Zukunft ermöglichen wollen, dann müssen wir gemeinsam und entschlossen handeln. Die Klimakrise ist eine unglaubliche Herausforderung für uns alle und duldet keinen Aufschub unserer Bemühungen.